AckerPerle Biosphären Land.Kinder.Garten am Eschenbach
Die „AckerKids“ des Biosphären Land.Kinder.Garten am Eschenbach mit ihrer Ernte. Biosphären Land.Kinder.Garten am Eschenbach
Der Biosphären Land.Kinder.Garten am Eschenbach liegt in einem kleinen Dorf im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen und kämpfte lange Zeit damit, dass die Eltern der Umgebung ihre Kinder lieber in die Kindergärten der Stadt schickten. Doch seit die Kita bei AckerRacker mitmacht, hat sich einiges geändert: Der 20 qm große Acker begeistert Eltern und Kinder gleichermaßen. Zusätzlich haben sich Kitaleiterin Heike Schöne-Krämer und Erzieherin Manuela Brune etwas ganz besonderes ausgedacht: einen „AckerFührerschein“! Was der wohl so alles kann?
Weil der Biosphären Land.Kinder.Garten am Eschenbach den Acker ganz besonders gut in seinen Kita-Alltag integriert hat, gehört er zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Kitaleitungen und Erzieher*innen von AckerKitas interviewt, die sich durch besondere Bildungskonzepte auszeichnen.
Autorin: Lena Hetzer / Acker e. V.
Fotos: Biosphären Land.Kinder.Garten Eschenbach
Steckbrief
Ort: Obereschenbach
Bundesland: Bayern
Anzahl Kita-Kinder: 24
Anzahl AckerKinder: 15
Anzahl Erzieher*innen/Mitarbeiter*innen: 6
Anzahl AckerErzieher*innen: 2
AckerKita seit: 2020
Größe des Ackers: 20 m2
Der Biosphären Land.Kinder.Garten am Eschenbach liegt in Obereschenbach – einem kleinen Dorf rund sechs Kilometer außerhalb von Hammelburg, einer Kleinstadt im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen. Er kämpft damit, dass Eltern die Kindergärten in der Stadt bevorzugen. Der Land.Kinder.Garten am Eschenbach wird oft nur als Übergangskindergarten genutzt. Doch seit es den Acker im Kindergarten gibt, ist etwas mehr Ruhe eingekehrt. „Wir haben tatsächlich Anrufe von Eltern, die sagen, sie wollen ihr Kind bewusst hier bei uns anmelden“, berichtet AckerErzieherin Manuela Brune. „Zum einen wegen unserem Montessori-Konzept und zum anderen, weil wir einen Acker haben.“
Durchs Greifen begreifen
Seit Frühjahr 2020 bauen hier die Vier- und Fünfjährigen mit den AckerRackern ihr eigenes Gemüse an. Die Kinder haben sich selbst den Namen „die AckerKids“ gegeben. Immer montags und dienstags gehen sie teilweise schon früh morgens selbstständig auf den Acker und sehen nach, was die Pflanzen brauchen. „Ich habe schon geschaut. Die Blätter stehen oben und wir müssen nicht gießen!“, ruft ein Kind seiner Erzieherin Frau Brune zu. Nur wenn die Zucchinipflanzen ihre Blätter bereits am Morgen hängen lassen, brauchen sie Wasser – das wissen die Kinder aus den AckerGeschichten. Die Abenteuer von Rudi Radieschen und seinen Gemüsefreunden werden zumeist im Morgenkreis vorgelesen. Auch die jüngeren Kinder hören dann gespannt mit, wie Manuela Brune berichtet: „Wir haben gemerkt, dass auch die Kleinen ein riesiges Interesse am Acker haben.“
Wenn es dann für die Vier- und Fünfjährigen auf den Acker geht, werden die jüngeren Kinder von Kitaleiterin Heike Schöne-Krämer betreut. Sie hält den AckerErzieher*innen während der AckerStunde denn Rücken frei. Es ist ihr wichtig, feste Tage, Zeiten und Verantwortlichkeiten für den Acker einzuplanen. „Auf dem Acker wird ganz viel sichtbar. Hier begreifen die Kinder, wie ein natürlicher Kreislauf entsteht. Nicht umsonst sagte schon Maria Montessori: Begreifen kommt von Greifen. Ich kann erst etwas verstehen, wenn ich es gesehen und in der Hand gehalten habe.“
Vom Ackerneuling zur eigenen Ernte
Als zum ersten Mal die Idee im Raum stand, das Bildungsprogramm AckerRacker in den Kindergarten am Eschenbach zu bringen, seien alle sehr skeptisch gewesen, erinnert sich AckerErzieherin Manuela Brune. „Wir hatten überhaupt keine Ahnung vom Gärtnern.“ Auch die personelle Bewältigung des Vorhabens sei in der kleinen Einrichtung eine Sorge gewesen. Zunächst habe außerdem der Vorstand des Kindergartens überzeugt werden müssen, die Teilnahme am Bildungsprogramm finanziell zu tragen. Heute sind Kitaleiterin Heike Schöne-Krämer und Erzieherin Manuela Brune sehr froh, all diese Hürden erfolgreich gemeistert zu haben. Und Manuela Brune stellt fest, dass auch ihre Sorge um fehlende Erfahrung im Gemüseanbau längst verflogen ist: „Man wird so super unterstützt vom Team von Acker e. V. – es wird uns leicht gemacht, das Ganze umzusetzen“, freut sich die Erzieherin. Obwohl das Ackern viel Arbeit und auch nicht immer einfach sei, gehe sie inzwischen so gern auf den Acker, dass sie nun sogar zu Hause selbst Gemüse anbaue.
Der Acker wird im Biosphären Land.Kinder.Garten längst nicht mehr als zusätzliches Projekt gesehen, das extra Arbeit abverlangt. „Das Programm ist eine Bereicherung für unsere pädagogische Arbeit“, betont Kitaleiterin Heike Schöne-Krämer. „Das musst du unbedingt probieren, weil es gar so lecker ist!“, sei vor kurzem ein Kind mit leuchtenden Augen und einem Radieschen in der Hand auf sie zugekommen. „Glauben Sie mir“ erzählt die Kitaleiterin lachend, "dieses Radieschen war nicht gerade schön. Kein Mensch würde es im Supermarkt anschauen.“ Als Ernte vom eigenen Acker sei das Radieschen aber natürlich stolz bewundert worden. Anschließend hätten die Kinder es sogar durch sechs geteilt, damit alle etwas davon probieren können.
Mehr Wertschätzung und Zusammenhalt
Doch die AckerKinder in Obereschenbach erfahren auf dem Acker nicht nur, wie lecker frisch geerntetes Gemüse schmeckt und wie es auf natürliche Weise wächst: Durch das gemeinsame Ackern finden bei den Kindern automatisch viele weitere Lernprozesse statt. So werden beispielsweise durch das Abzählen der Salatpflanzen mathematische Kenntnisse geschult. Auch Themen im Bereich Ernährung werden durch das Ackern greifbarer: „Wir sind auch mal auf den Acker gegangen, um zu schauen, was aus der Ernährungspyramide alles bei uns wächst“, erzählt AckerErzieherin Manuela Brune. Die AckerKinder Moritz und Paulin wissen ganz genau, was sie alles auf dem Acker anbauen: "Tomaten, Gurken, Mangold, Kohlrabi, Salat, Zucchini und Kürbis!“, zählen sie auf. Bei der Ernte ist so manches Kind dann ganz erstaunt, das Gemüse aus dem Supermarkt wiederzuerkennen: „Das kauft meine Mama bei Aldi!“, ruft ein Junge bei der Zucchini-Ernte.
Manuela Brune kann beobachten, wie sich die Kinder beim Ackern weiterentwickeln. So sei zum Beispiel ihre Wertschätzung für die Natur stark gewachsen: „Wenn die Kinder früher einen Regenwurm gefunden haben, wurde der arme Wurm mit dem Stöckchen hin und her geschubst. Jetzt wird er in die Hand genommen, von allen betrachtet und woanders hingebracht.“ Auch der vierjährige Moritz hat längst verstanden, dass der Regenwurm für unsere Böden von großem Nutzen ist: „Der tut unserem Acker gut, weil er Nährstoffe gibt. Er macht den Acker locker“, erklärt er.
Auch der Zusammenhalt unter den Kindern wird beim Ackern gestärkt. Gemeinsam pflanzen, pflegen und behüten sie ihr Gemüse – unabhängig davon, wer eigentlich mit wem befreundet ist. Die Kinder zeigen und erklären sich gegenseitig die AckerTätigkeiten, lernen, ihre praktischen Erfahrungen in Worte zu fassen und geben ihr Wissen an die Jüngeren weiter. Kitaleiterin Heike Schöne-Krämer freut sich, dass auch kulturelle Unterschiede und sprachliche Barrieren auf dem Acker kaum mehr eine Rolle spielen: „Das macht Freude, dass die Kinder bei dieser Arbeit integriert werden.“
Auf dem Weg zum Ackerprofi
Was die Kinder auf dem Acker bereits alles gelernt haben, lässt sich im „AckerFührerschein“ nachlesen, den die Erzieher*innen des Kindergartens am Eschenbach selbst entworfen haben. In einem Heftchen werden die verschiedenen AckerTätigkeiten aufgeführt: Pflanzen, Hacken, Gießen, Ernten und Verkosten. Immer dann, wenn eine Aufgabe gemeistert wurde, wird der Lernerfolg von Manuela Brune und den Kindern mit einer Unterschrift besiegelt. „Wenn alle Felder gefüllt sind, wollen wir eine AckerFührerschein-Party machen“, so die Erzieherin. Der vierjährige Moritz und die fünfjährige Paulin zeigen, dass sie auf dem Acker schon eine Menge über den Gemüseanbau gelernt haben: Während Moritz das Ernten am meisten Spaß gemacht hat, gefällt Paulin das Hacken und Unkrautjäten am besten. Warum das regelmäßige Jäten so wichtig ist, wissen sie beide: „Weil das Unkraut unseren Pflanzen das Wasser und den Dünger wegnimmt!“, erklärt Moritz, und Paulin ergänzt: „Und den Platz!“
Doch nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen lernen beim Ackern dazu. „Mir geht es mit AckerRacker so gut. Ich nehme da auch ganz viel privat mit und bin froh, dass wir hier die Möglichkeit haben“, freut sich Kitaleiterin Heike Schöne-Krämer. Sie findet es schade, dass Erfahrungen rund um Natur und Lebensmittel nur in wenigen Kindertagesstätten zur Normalität gehören. „Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung – das beginnt gerade in den jungen Jahren. Warum darf man das erst lernen, wenn man in die Schule geht?“